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Mehrjungfrau

02 August 2013 von B. J.

Weit hinaus ist das Mehr so blau, voller schöner Kornblumen, so tief, tiefer als jedes Ankertau, kristallreines Glas. Große Schiffe, von Sehnsucht getragen, ziehen vorbei, Korallenriffe ruhen am Grund, geweißt von Hoffnung, Walfische voller Liebe schauen herab. Dort lebt Frau Niemand, unter riesigen Monden, die ihre blonden Haare bleichen, und fühlt mit ihren schmalen Händen den samtenen Saum ihrer Träume. Eine herrliche Trauerwinde streichelt ihren zarten Busen mit rosenroten Blättern, Schatten umschäumen ihre filigranen Füße, knorrige Wurzeln küssen ihre zarten Zehen, schwarzer Sand trägt sanft ihre harmonische Hüfte.

»Ach, wäre ich doch erst siebzig Jahre alt!« sagte sie. »Ich weiß, dass ich die Welt dort oben und die Menschen, die darauf wohnen, dann recht lieben werde.« Die Luft ist mild und frisch, und als das Mehr dunkler und dunkler wird, ja es einen langen Augenblick so stockdunkel ist, dass Niemand nichts mehr wahrnehmen kann, sie furchtsam ihre langen Beine mit ihren schlanken Armen umschlingt, zünden sich Hunderte bunter Laternen an und leuchten in ihren blassen Augen.

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