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Schildbürgerstreich BELKAW-Vertrag

01 Mai 2014 von Dirk Sonntag

Trotz erheblichen Bedenken aus der Bürgerschaft, – ein Antrag auf Bürgerentscheid ist bereits gestellt -, hat am 30. April die Stadt Bergisch Gladbach 49,9 Prozent des Energieversorgers BELKAW über notarielle Verträge von der Kölner RheinEnergie erworben. Warum die große Koalition von CDU und SPD für diesen überhasteten Kauf, so kurz vor der Kommunalwahl, in einer Höhe von 78 Millionen Euro, welche die hochverschuldete Stadt gar nicht hat, sondern nur über weitere Kredite erhält?

Das „Angebot“ der RheinEnergie habe nur bis zum 30. April gegolten. Ein schönes Argument, denn einmal hört sich das an wie ein Schnäppchen, zweitens wäscht die große Koalition im Rathaus ihre Hände in Unschuld. Kann aber ein so komplexer Vertrag, der sich erst über Jahrzehnte rechnet (oder auch nicht), mit einem Schnäppchenkauf bei Saturn verglichen werden? Der „Lenkungskreis für die Energieversorgung“ tagte über den Vertrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit und, laut Matthias Niewels vom Kölner Stadtanzeiger, mit dem gegenseitigen Versprechen, keine Informationen nach außen zu geben. So ganz nebenbei schien auch die Verteilung von Posten eine Rolle gespielt haben.

Den Antrag der Fraktion Linke/BfBB, die Zukunft der Energieversorgung per Bürgerentscheid zu bestimmen, überstimmten Anfang März eine Mehrheit von CDU, FDP, Grüne, Freie Wähler und dem Bürgermeister, mit Enthaltung der SPD und Kiditiative. Man kann über Sinn von Bürgerentscheiden streiten, aber mit einem solchen Beschluss hätte man die notwendige Zeit gewonnen, den Vertragsabschluss noch mal gründlich zu überdenken, und dies in größerer Öffentlichkeit. Die FDP ist sich nicht zu schade, jetzt ihre Jungen Liberalen vorzuschicken, sich gegen den Vertrag auszusprechen, während die gemeinsame Erklärung von SPD und Grünen im Netz nicht mehr aufrufbar ist. Um die Verwirrung komplett zu machen, unterstützt der SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Schubek das Bürgerbegehren gegen den Kauf von Belkaw-Anteilen, obwohl er für den Belkaw-Ankauf sei.

Die Stadtverwaltung bot ab Ende März Informationsveranstaltungen zu dem Thema an. Bürger sollten Gelegenheit haben, zu fragen und zu diskutieren. Konkrete Zahlen wurden nicht genannt, weil es Verschwiegenheitsverpflichtungen verletzt hätte. Neben dem Kauf einer Minderheitsbeteiligung gab es die Alternative, die Netze von der RheinEnergie zurück zu kaufen und eigene Stadtwerke zu gründen. Gegen diese „Marktverdrängung“ habe die RheinEnergie jedoch Kölner Politiker aus SPD und CDU ausgeschickt, um die Parteikollegen im Bergischen Land davon, nicht immer im freundlichen Umgangston, abzuhalten.

Mehr Demokratie forderte die Stadt Bergisch Gladbach bereits am 15. April auf, bei der Minderheitsbeteiligung am Energieversorger BELKAW eine Rücktrittsklausel mit dem Verkäufer RheinEnergie zu vereinbaren, damit bei einem möglichen positiven Bügerentscheid keine Kosten aus dem Vertragsrücktritt entstehen, die schnell mehrere Hunderttausend Euro erreichen können. Anscheinend ist es aber den Fraktionen im Stadtrat, insbesondere den Grünen und der Linke/BfBB, entgangen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dabei ist Tomás Santillán von den Linken einer der Organisatoren der Bürgerinitiative.

Lennart Höring, Fraktionsgeschäftsführer der CDU, sagt ehrlicherweise über die Möglichkeiten der Risikoabschätzung dieses Vertrages: „Es ist uns als ehrenamtliche Ratsmitglieder nicht möglich, für alle Eventualitäten ausgearbeitete Szenarien zu haben.“ Nun kann man nicht bei jedem Stadtrat fundierte betriebswissenschaftliche Kenntnisse erwarten. Aber wenn einem Bürger ein Vertrag angeboten wird, der sehr komplex ist und sich erst über Jahrzehnte rentieren soll (oder auch nicht), und er dabei nicht nur keinen Zugang zu allen Zahlen hat, sondern er auch noch unter Zeitdruck gesetzt wird? Und dabei ein Steuersparmodell angeboten wird, in dem nicht die Stadt selbst sondern die bereits heruntergewirtschafte Bädergesellschaft die Minderheitsanteile der BELKAW erwirbt, damit sie mögliche Gewinne mit ihren Verlusten steuermindernd verrechnen kann? Könnte das nicht nach einem Scheingeschäft riechen, wäre da nicht die einzig vernünftige Entscheidung die Nicht-Entscheidung, die Unterlassungsalternative oder auf gut deutsch: Finger weg?

Bei der Kommunalwahl am 25. Mai sollte aber von den Bergisch Gladbacher BürgerInnen die Unterlassungsalternative vermieden werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass in Bergisch Gladbach diese große Koaliton von CDU und SPD weitere sechs Jahre schaltet und waltet.

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