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Beschäftigtendatenschutz scheitert in dieser Wahlperiode endgültig

26 Februar 2013 von Darian Lambert

Zur endgültigen Beerdigung des Projekts eines Beschäftigungsdatenschutzgesetzes erklären Dr. Konstantin von Notz, Sprecher für Innenpolitik, und Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte von Bündnis 90 Die Grünen:

Den dringend benötigten gesetzlichen Schutz der Beschäftigten vor Überwachung und Kontrolle hat die Bundesregierung endgültig abgeblasen. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung ganz und gar selbst. Ihr Verweis auf die nächste Legislaturperiode ist nichts anderes als das Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit. Auch mit dem Verweis auf die EU-Datenschutzreform kann sich die Bundesregierung nicht rausreden. Für den Beschäftigtendatenschutz bleiben nationale Regelungen dringend nötig.

Schon der zur Halbzeit der Legislaturperiode vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesinnenministers war an Unzulänglichkeit nicht zu überbieten. Beiden Koalitionsparteien mangelte es sowohl an gutem Willen als auch an der Fähigkeit, einen für die Beschäftigten tragfähigen Kompromiss zu finden. Grotesk sind deshalb die Ausreden der Koalition, das Vorhaben sei am Widerstand der Verbände gescheitert.

Leidtragende der schwarz-gelben Unfähigkeit sind aber nicht nur die Beschäftigten. Verlierer sind auch die Unternehmen, die weiterhin mit der bestehenden, oft unklaren Gesetzeslage leben müssen. Notwendige Verbesserungen wie etwa Erleichterungen des Datenflusses im Unternehmensverbund bleiben liegen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat kein einziges ihrer großspurig angekündigten Projekte zum Datenschutz durchgebracht. Sie verkennt damit die zentrale Bedeutung des Datenschutzes als Vertrauensanker angesichts massiv zunehmender Digitalisierung. Den Preis dafür zahlen die Bürgerinnen und Bürger, mit der schleichenden Aushöhlung ihrer Privatsphäre und ihrer Rechte.

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Beschäftigtendatenschutzgesetz im letzten Moment aufgehalten

29 Januar 2013 von Darian Lambert

Mehrere Petitionen durch Arbeitnehmervertreter im Internet mit jeweils über 100.000 Unterschriften machten im Internet die Runde. Seit ein paar Wochen war es wieder aktuell: Das Beschäftigtendatenschutzgesetz. Es soll eine Verbesserung des Datenschutzes in der Arbeitswelt mit sich bringen und Rechtssicherheit für alle schaffen. Doch genau das ist es, was dem Gesetztesentwurf fehlt meinen Datenschützer und Gewerkschaften. Aber auch die Arbeitgeberseite kritisierte das Gesetzesvorhaben massiv. Exklusiv erfuhr GL Aktuell soeben aus dem Büro von Wolfgang Bosbach (MdB, CDU), dass man das Gesetz von der Tagesordnung abgesetzt habe. Zitat: „…weder im Innenausschuss am 30.01.2013, noch im Plenum des Bundestages am 01.02.2013 über den Gesetzenwurf zur Verbesserung des Beschäftigtendatenschutzes beraten und abgestimmt wird. Die Tagesordnungspunkte werden abgesetzt und die Beratungen – sowohl mit der Arbeitnehmer- als auch mit der Arbeitgeberseite fortgesetzt. Beide Seiten äußern – wenn auch mit zum Teil sehr unterschiedlichen Gründen und Motiven – Kritik an dem Entwurf und mit diesen kritischen Einwänden wollen wir uns ausführlich auseinandersetzen.“

Nun wird wohl ein Aufatmen durch die Nation gehen. Aber was bringt der aktuelle Gesetzesentwurf eigentlich mit sich? Leider konnten sich weder Wolfgang Bosbach (CDU) noch sein Gegenkandidat Michael Zalfen (SPD)  zum aktuellen Entwurf positionieren. Michael Zalfen, gab an zu sehr mit Wahlkampf beschäftigt zu sein, während Wolfgang Bosbach um Verständnis bat den Gesetztestext erst nochmals genau lesen zu müssen.

Benedikt van Aacken von den Bergisch Gladbacher Piraten ist Jurist und hat sich mit dem Gesetztesentwurf genau beschäftigt. Ein Interview:

Frage GL-Aktuell: Wie beurteilst Du / Ihr das Gesetz?
Wir Piraten Bergisch Gladbach begrüßen ausdrücklich eine Überarbeitung des Beschäftigtendatenschutzgesetzes, allerdings nicht so und nicht jetzt.
Vorgeschobene Datenschutzskandale wie die bei LIDL, Telekom, Deutscher Bahn oder jetzt ALDI Süd sind nur deshalb ein Skandal, weil diese Firmen das bereits bestehende Datenschutzgesetz ignoriert haben. Würde es solche Skandale durch ein überarbeitetes Gesetz nicht mehr geben? Natürlich würde es sie auch weiterhin geben. Das ist Politikquatsch 1.0 und zwar mit dicker Propagandasoße.
Wir bemängeln zudem die mangelhafte Ausarbeitung und Qualität des Gesetzes. Nehmen wir die Überschrift von § 32 „Datenerhebung vor Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses“. Der Paragraph bezieht sich also ganz klar auf die Bewerbungsphase. In den nachfolgenden Abschnitten wird aber vom „Beschäftigten“ gesprochen. Unserer Meinung nach sollte ganz klar zwischen Bewerbern, also Menschen, die noch in kein Beschäftigungsverhältnis mit dem datenerhebenden Arbeitgeber eingetreten sind, und Beschäftigten, somit Menschen, die bereits mit dem datenerhebenden Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis unterhalten, unterschieden werden. Denn eine Datenerhebung von Bewerbern unterliegt grundsätzlich einem strengeren Maßstab als eine von bereits Beschäftigten. Gepfusche.
Es werden rechtlich irrelevante Begriffe wie „erforderlich“ verwendet. Der Begriff der Erforderlichkeit ist juristisch aus dem öffentlichen Recht bekannt. Jedoch in diesem Zusammenhang so nicht verwendbar. Damit ist dieser Begriff undefiniert und zu schwammig. Wann besteht eine Erforderlichkeit, d.h. unter welchen Voraussetzungen ist denn eine Erforderlichkeit gegeben? Somit ist dieser Begriff frei durch den Arbeitgeber interpretierbar und kann lediglich gerichtlich geklärt werden. Schlecht. Denn Gesetze sollten so konkret wie möglich sein, damit der Rechtsfriede gewahrt und gleichzeitig Rechtssicherheit geboten wird. Die vornehmliche Aufgabe eines Gesetzgebers.
Wenn diese handwerklichen Fehler und der grundrechtlich abzulehnende Punkt geändert würden, wäre dieser Entwurf für uns Piraten Bergisch Gladbach aber durchaus unterstützbar.

Frage GL-Aktuell: Was stimmt und was stimmt nicht, was die CDU uns erzählt?
Es stimmt, dass beispielsweise die Datenerhebung durch Arbeitgeber über Bewerber aus frei zugänglichen Quellen, wie aus sozialen Netzwerken oder aus einer Google-Suche, geregelt wird. Es stimmt aber nicht, dass dies positiv ist.
Der Arbeitgeber dürfte nämlich somit aus dem Internet so viele Daten über den Beschäftigten saugen, wie er möchte. Einzige Schranke ist hierbei, ein möglicherweise entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse des Beschäftigten. Aha.
Wir fragen uns, erkennt ein Arbeitgeber die Grenze, was er darf und was nicht? Und inwieweit läßt sich ein schützenswertes Interesse denn im Netz schützen? Beispielsweise sucht der Arbeitgeber im Internet nach dem Namen eines Beschäftigten oder Bewerbers, so hat er keinen Einfluß darauf, was die Suchmaschine ausspuckt. Er sieht alles und kann dies nicht verhindern. Und der erste Eindruck zählt, egal ob die Bilder oder Berichte über den Beschäftigten oder Bewerber echt sind oder nur ein boshafter Scherz.
Somit ist das schützenswerte Interesse, also der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Beschäftigten oder Bewerbers, lediglich eine hohle Phrase, denn praktisch läßt sich dies nicht umsetzen. Die Datensuche im Internet muss also verboten werden, nicht, wenn auch reglementiert, erlaubt.
Im Zweifel werden sonst wieder die Gerichte bemüht und wieder ist der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit gefährdet.

Das Verbot der geheimen Videoüberwachung finden wir Piraten demgegenüber gut. Wenn mögliche Gelegenheitsdiebe beispielsweise wissen, das der Laden oder auch das Lager beobachtet wird, überlegen sie es sich vielleicht anders. Für uns fällt dies unter den Punkt Prävention. Denn man darf nicht vergessen, dass eine geheime Videoüberwachung durch die Polizei nach entsprechend begründetem richterlichen Beschluss davon nicht berührt wird.

Frage GL-Aktuell: Wann wird das vorrausichtlich auf der Tagesordnung stehen?
Michael Frieser, der Hauptberichterstatter für den Beschäftigtendatenschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 7. Januar 2013 erklärt, dass „ein solches Gesetz noch Anfang des Jahres“ verabschiedet werden soll. Kann also nicht mehr lange dauern.

Frage GL-Aktuell: Was hat sich in der Zwischenzeit dort geändert im Gesetz was verabschiedet werden soll?
Wir können nur von dem uns vorliegenden Entwurf ausgehen. Über Änderungen an dem Entwurf nach dem 25.August 2010 wissen wir nichts konkretes. Wenn ich allerdings die Antworten lese, die manche Vertreter von SPD, Linken und Gewerkschaft im vergangenen August ihrer Zeitung auf ähnliche Fragen gegeben haben, dann wurde der Gesetzesentwurf in der Zwischenzeit entweder nachgebessert oder die befragten Politiker haben den Entwurf damals nicht gelesen. Letzteres würde uns aber auch nicht wirklich wundern.

Frage GL-Aktuell Warum kommt das jetzt noch vor der Wahl?
Für uns Piraten ist das typischer Stammtisch-Populismus von CDU/CSU und FDP. 2014 wird die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union kommen. Dann wird jedes Datenschutzgesetz in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern sowieso überarbeitet werden müssen. Der Schnüffelskandal bei ALDI Süd war unter bestehendem Recht bereits illegal. Dieser Aktionismus der Regierung ist überflüssig, Zeitverschwendung und reine Propaganda.Wir hoffen auf eine Datenschutzgrundverordnung der EU, die viele Fragen und Grauzonen klärt und sowohl den Interessen der Arbeitgeber als auch der informationellen Selbstbestimmung und der Würde der Arbeitnehmer Rechnung trägt.

Gesetzesentwurf
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzestexte/Entwuerfe/Entwurf_Beschaeftigtendatenschutz.pdf?__blob=publicationFile
MdB Frieser 7.01.2013
http://www.michael-frieser.de/mediapool/75/756450/data/Eigene_Dateien_III/13010700_Aldi_Sued_BDSchG.pdf
GL Aktuell mit Stellungnahmen der anderen Parteien vom August 2012
https://www.glaktuell.net/?p=1033

Auch Konstantin von Notz (MdB, Grüne) lehnt den Entwurf der Union ab und teilt uns mit:
„Offenkundig geht es der Koalition noch vor den Wahlen in Niedersachsen darum, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Anders ist die Eilvorlage zur 2. und 3. Lesung im Bundestag nicht zu erklären. Allerdings hat sie sich dabei hinsichtlich der Zustimmung bei den Gewerkschaften gründlich verkalkuliert. Denn die haben nach Durchsicht des neuen Entwurfs massive Kritik geäußert und das völlig zu Recht:

Die Koalition hat es nämlich verschlafen, nach der Einbringung bereits in 2011 und der allseitigen massiven Kritik ihre Hausaufgaben zu machen und einen sachgerechten Gesetzesentwurf vorzulegen. Stattdessen verlegt sie sich jetzt aufs Tricksen.  Verdeckte Videoüberwachungen werden zurückgedrängt, offene Videoüberwachungen aber uferlos ausgeweitet. Ein Unterlaufen von Schutzstandards mittels Betriebsvereinbarung soll zukünftig nicht möglich sein. Wie großzügig! Dabei hatte allein die Koalition im Verfahren diesen im Übrigen verfassungsrechtlich fragwürdigen Vorschlages aufs Tapet gebracht. Und eine anlasslose Rasterung ganzer Belegschaften wegen Korruptionsverdachts soll angeblich nicht mehr möglich sein. Dabei kommt es faktisch zu einer Ausweitung des Rasterns, weil eine die erfassten Belegschaften hinreichend einschränkende Regelung fehlt.
Überwachungsskandale wie bei Aldi, Deutsche Bahn oder Lidl sollen nach dieser Bundesregierung legalisiert werden. So soll schon der Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung ausreichen, um gegen Beschäftigte Privatdetektive loszuschicken.
Über Jahre wurde der Beschäftigtendatenschutz in den Betrieben vernachlässigt. Das Ergebnis ist oftmals ein Klima des Verdachts und der Verunsicherung. Wir haben in unserem Gesetzentwurf betont, dass nur eine umfassende Lösung die Balance zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern wiederherstellen kann. Unser Entwurf verpflichtet deshalb die Arbeitgeberseite, die private Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel eindeutig zu regeln. Wir fordern ein Klagerecht für Gewerkschaften und Betriebsräte eben so wie die Mitsprache bei der Bestellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Hinweise auf Missstände in den Betrieben sind durch Whistleblowerklauseln zu unterstützen. Der Entwurf der Bundesregierung verweigert auf diese zentralen Punkte eine Antwort und wird deshalb der zentralen Aufgabe des vernünftigen Interessenausgleichs in den Betrieben nicht gerecht.“

Kritik äußert ebenfalls Jan Korte von der Linkspartei. Er nimmt zum Gesetzesentwurf ausführlich Stellung:

Wie beurteilst Du / Ihr das Gesetz?

„Dieser Gesetzentwurf geht vollkommen an den Bedürfnissen und Realitäten der Beschäftigten vorbei und dient einzig den Interessen von Unternehmern, die sich den gläsernen Mitarbeiter wünschen. Anstatt die Daten der Beschäftigten zu schützen, legalisiert der schwarz-gelbe Gesetzentwurf deren Überwachung und geht dabei zum Teil weit hinter geltendes Recht zurück. Die Koalitionsfraktionen ignorieren damit die Proteste von hunderten Betriebs- und Personalratsgremien, die zu Recht gefordert hatten, diesen Entwurf zu beerdigen. Angesichts der nun vorgelegten eher redaktionellen Änderungen stellt sich schon die Frage, warum die Bundesregierung sachverständige Experten überhaupt anhört oder sich zu Gesprächen mit Gewerkschaften trifft, wenn am Ende überhaupt nicht auf deren Kritik eingegangen wird. DIE LINKE bleibt daher dabei: keine neue Regelung wäre besser als dieser völlig verkorkste Entwurf. Eine Verabschiedung im Eiltempo muss verhindert werden. Jetzt ist breiter Protest nötig.“

Was stimmt und was stimmt nicht, was die CDU uns erzählt? Wann wird das vorrausichtlich auf der Tagesordnung stehen?

„Der bisher bekannt gewordene Zeitplan der Koalition sieht wohl so aus: Der Änderungsantrag der Koalition soll am 16. Januar im federführenden Innenausschuss beschlossen werden. Dann soll der geänderte Gesetzentwurf am 1. Februar in 2. und 3. Lesung im Eilverfahren verabschiedet werden. Da der Ausschuss am Mittwoch aufgrund der Sondersitzung „50 Jahre Elysée-Vertrag“ und einer vorher anstehenden erweiterten Berichterstatter-Runde mit dem Innenministerium zu „Polizeieinsätze im Ausland“ nicht wie sonst drei, sondern nur max. eine Stunde tagen wird, hat die LINKE schon letzten Freitag die Nichtaufsetzung bzw. Absetzung der Beschlussfassung im Innenausschuss und eine Vertagung beantragt. Ob das jedoch Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Mein Eindruck ist, dass die das knallhart durchziehen und nicht länger darüber diskutieren wollen.“

Was hat sich in der Zwischenzeit dort geändert im Gesetz was verabschiedet werden soll?

„Es hat einige Änderungen am Gesetzentwurf gegeben, diese sind allerdings eher redaktioneller Art. Neben ganz wenigen Verbesserungen handelt es sich dabei überwiegend um Klarstellungen im Arbeitgeberinteresse, die nach dem Willen von Union und FDP fortan „Rechtssicherheit“ beim Ausspionieren ihrer Beschäftigten genießen sollen. Der Gesetzentwurf beinhaltet nach wie vor eine Fülle von Regelungen, durch die die Datenerhebungs-, Verarbeitungs- und Nutzungsbefugnisse der Unternehmer auf Kosten der Beschäftigten massiv ausgeweitet werden. Auch das vielzitierte und eigentlich selbstverständliche Verbot der heimlichen Videoüberwachung wäre danach nur eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Im Gegenzug würde dem Arbeitgeber u.a. erlaubt die offene Videoüberwachung unter dem Vorwand der „Qualitätssicherung“ erheblich auszudehnen, Gesundheitsdaten im laufenden Beschäftigungsverhältnis zu ermitteln und ärztliche Untersuchungen durchführen zu lassen, E-Mail- und Internet-Screenings auch ohne konkreten Tatverdacht vorzunehmen und Persönlichkeitsprofile der Mitarbeiter auf Vorrat anzulegen.“

Warum kommt das jetzt noch vor der Wahl?

„Das hat eigentlich fast alle überrascht. Nach mehr als zwei Jahren Rumgeeiere und sich nicht einigen können ist das Ganze wohl als Rettungsversuch für die FDP gedacht. Ob deren desaströse Koalitionsbilanz dadurch noch aufpoliert werden kann ist fraglich. Von Datenschützern und den Gewerkschaften wird die Koalition zu Recht abgewatscht werden. Einzig die Unternehmer werden diese Aktion honorieren und darum geht es wohl auch. Der Bürgerrechtsflügel der Liberalen ist eh seit längerem so gut wie irrelevant, wichtig für die FDP ist die Unterstützung der Wirtschaft. Für die Union, die sich in letzter Zeit gerne als „Arbeitnehmerpartei“ aufspielt, könnte diese Kriegserklärung an die Gewerkschaften aber noch Konsequenzen haben.“

Kommentar:

Aufgrund des öffentlichen Drucks ist die Koalition wohl mit Ihrem Überraschungsangriff auf den Datenschutz eingeknickt. Der aus „Dringlichkeit“ auf der Tagesordnung gewesene Datenschutz wird nun wohl weiter diskutiert werden müssen. Eine glaubhafte Veranstaltung sieht allerdings anders aus.

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DGB Online-Petition gegen das Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz

20 Januar 2013 von Darian Lambert

Die Beratung des Gesetzentwurfs zum Arbeitnehmerdatenschutz durch den Innenausschuß wurde auf den 30. Januar verschoben, und soll am 1. Februar im Bundestag verabschiedet werden. Gegen diesen Gesetzentwurf gibt es nun eine Online-Petition, die man trotz des Initiators – DGB-Chef Sommer – unterschreiben sollte. Hier die Petition im Wortlaut:

 

Die Regierungskoalition will ein Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz durchsetzen, das die ArbeitnehmerInnen gerade NICHT schützt. Es ist ein Angriff auf die Arbeitnehmerrechte. Besser kein Gesetz als dieses!

Wir sagen NEIN zu diesem Gesetzentwurf und rufen zum Protest auf!

Erlaubt ist, was dem Arbeitgeber passt – NEIN!
Mit unbestimmten Rechtsbegriffen, auch Gummi-Paragrafen genannt, würde es dem Arbeitgeber möglich, durch eigene Interpretationen in das Persönlichkeitsrecht von Beschäftigten erheblich einzugreifen. Der Arbeitgeber kann also faktisch selbst bestimmen, wann die Voraussetzungen von Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung vorliegen.

Offene Videoüberwachung – NEIN!
Der Arbeitgeber müsste nur darauf hinweisen, dass eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz stattfindet. Doch wo die Kameras angebracht werden und wann und wie lange sie eingeschaltet sind, bliebe offen. Hier von ‘offener Überwachung’ zu sprechen, ist mehr als ein schlechter Witz. Zudem sind die Gründe für eine Videoüberwachung in einem ‘Beispiel-Katalog’ geregelt: allein die Arbeitgeber entscheiden, wann eine Überwachung erfolgt. Das ist George Orwell am Arbeitsplatz: Wie wird gearbeitet? Mit wem wird geredet und wann geht der Beschäftigte in die Raucherpause? Das hat mit Würde am Arbeitsplatz nichts mehr zu tun.

Auswertung sozialer Netzwerke – NEIN!
Erlaubt wäre, dass Arbeitgeber auch öffentlich zugängliche soziale Netzwerke wie z.B. Facebook nach Informationen über ihre Beschäftigten oder Bewerber durchsuchen und so erlangte Daten verwenden können. Doch deren Wahrheitsgehalt ist zweifelhaft – Beschäftigte oder Bewerber können auf dieser Grundlage ‘aussortiert’ werden und wissen nicht einmal warum.
Privatleben und Arbeitsleben müssen getrennt bleiben. Aktivitäten in sozialen Netzwerken sind kein Kriterium für die Qualität der Arbeit, sondern Freizeitgestaltung und privat.

Permanentes Abhören der Beschäftigten in Callcentern – NEIN!
Call-Center-Mitarbeiter würden zu ‘Freiwild’, weil ihre Arbeit durch Mitschnitte ihrer Telefonate permanent überwacht werden könnte. Käme dazu noch die offene Videoüberwachung ist der gläserne Beschäftigte Realität.

Gesundheitsuntersuchungen – NEIN!
Ärztliche Untersuchungen könnten künftig bei Tätigkeitswechseln vom Arbeitgeber einseitig verlangt werden. Damit kann sich der Arbeitgeber dann wesentlich leichter älteren oder nicht mehr ganz so ‘fitten’ Beschäftigten entledigen.

Datenweitergabe an andere Arbeitgeber in Konzernen – NEIN!
Durch eine weitgehende Freigabe der Datenübermittlung innerhalb eines Konzerns würden die Datenschutzrechte von Beschäftigten weiter eingeschränkt. Spezielle Kontrollen sind nicht vorgesehen. Die Beschäftigten hätten keinen Einfluss darauf, was und wie über sie berichtet wird. Sie müssen es nicht einmal erfahren, dass Daten weitergegeben werden.

Wir fordern ein Beschäftigtendatenschutzgesetz, das diesen Namen auch verdient. Dieses Gesetz darf nicht das Arbeitsleben und den Jobeinstieg der Beschäftigten bestimmen.

Weitere Infos: www.beschds.de

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Beschäftigtendatenschutz – Gesetz steckt fest

14 August 2012 von Darian Lambert

Die Bundesregierung hat bereits einige Gesetztesflops produziert. Gesetzesflops wurden gar nicht umgesetzt, verschoben und sogar rückabgewickelt. Andere wichtige Reformgesetze wie z.B. das erneuerbare-Energien-Gesetz werden massiv kontakariert. Eine weitere wichtige Reform der Beschäftigtendatenschutz scheint festzstecken – obwohl einst im Koalitionsvertrag noch alles ganz klar zu sein schien.

Um das Beschäftigendatenschutzgesetz ist es ruhig geworden. Seit 1,5 Jahren wird in Berlin das Gesetzesvorhaben zum Datenschutz in der Arbeitswelt diskutiert, erinnert sich Wolfgang Bosbach MdB (CDU). Da unsere Redaktion überraschend darüber informiert wurde, dass die Bundesregierung das neue Gesetzesvorhaben noch im Herbst im Innenausschuss auf den Weg bringen möchte, haben wir dies um Anlass genommen Politiker aller Couleur hierzu zu befragen und die Hintergründe zu durchleuchten. Einen guten Einblick verschafft eine von unabhängiger Seite zusammengestellte Synopse.

Schauen wir uns zuerst die Kritikpunke der Gewerkschaften (Arbeitnehmerseite) an. Die IG Metall kritisiert den Gesetzesentwurf von Union und FDP scharf:

„Der von der jetzigen Regierungskoalition dann beschlossene Gesetzesentwurf hat den Namen Beschäftigtendatenschutzgesetz nicht verdient. Er schafft vielmehr die Legitimation für die Arbeitgeber, sowohl bei Anbahnung als auch bei Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auf persönliche Daten der Beschäftigten zuzugreifen:

– Entgegen der bisherigen Rechtslage wird die Möglichkeit der Videoüberwachung deutlich ausgedehnt.
– Anlasslose Screenings, wie sie bei der Deutschen Bahn skandalisiert worden sind, werden zukünftig legitimiert.
– Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung wird erheblich ausgeweitet.
– Der Arbeitgeber erhält die Befugnis, vom Beschäftigten die Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen zu verlangen, wenn er Zweifel an der weiteren Eignung für die ausgeübte Tätigkeit äußert.“

Hiermit haben wir Wolfgang Bosbach konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Der Bundestagsabgeornete reagierte prompt und nahm sich sogar ein paar Stunden Zeit um Stellung zu nehmen. Zunächst wurden wir damit überrascht, dass laut Wolfgang Bosbach die Bundesregierung nicht beabsichtigt, das neue Gesetzesvorhaben noch im Herbst im Innenausschuss einzubringen, denn es steht bis heute garnicht auf der Tagesordnung. In dieser Sache fragte Bosbach nochmals tagesaktuell direkt in Berlin bei Dr. Heinke nach. Es gibt wohl Anträge der Oppositionsfraktion aber nicht das Vorhaben zur Verabschiedung des Gesetztesentwurfes durch die Bundesregierung. Trotz dieser Überraschung fragen wir genauer nach:

 

GL Aktuell: Herr Bosbach entgegen der bisherigen Rechtslage wird die Möglichkeit der Videoüberwachung deutlich ausgedehnt, behaupten die Gewerkschaften. Was sagen Sie dazu?

Wolfgang Bosbach: Dass ist schlicht falsch. Da behaupten die Gewerkschaften etwas schlicht Falsches. Die entscheidende Frage ist, ob es sich um eine offene oder verdeckte Videoüberwachung handelt. Bei der offenen Videoüberwachung haben wir doch kein Rechtsproblem. Das Rechtsproblem haben wir doch bei der geheimen Videoüberwachung, bei welcher der Mitarbeiter doch garnicht weiss dass er gefilmt wird. Da sagt die aktuelle Rechtssprechnung, hier sei nur unter ganz engen Vorraussetzungen Videoüberwachung möglich. Die Arbeitgeber sagen hierzu, dass die Rechtssprechung hier genügend ausdifferenziert sei, dass könne so bleiben. Die Arbeitnehmer wollen hiergegen die Videoüberwachung generell verbieten. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber alles bei der Staatsanwaltschaft anzeigen muss, da die Polizei ja die geheime Videoüberwachung durchführen darf. Da ist nun wirklich die Frage ob man das will. Mancher Arbeitgeber will die Polizei bei sich garnicht im Haus haben.

GL Aktuell: Was sind Ihrer Meinung nach die Verbesserungen, welche dieses neue Gesetz mit sich bringt?

Wolfgang Bosbach: Vieles was in der Rechtssprechung von den Gerichten unterschiedlich beantworetet wird nun im Gesetz festgelegt. Es herscht dann endlich Rechtsklarheit. Ob das, was dann im Gesetz steht eine Verbesserung oder Veschlechterung ist, ist eine sehr individuelle Frage. Nehmen wir mal die verdeckte Videoüberwachung. Diese soll generell verboten werden, dagegen läuft der Handel Sturm. Man behauptet, dies sei eine Verbesserung für Diebe aber nicht für Arbeitgeber.

GL Aktuell: Thema anlasslose Screenings. Herr Bosbach, worum gehts da überhapt?

Wolfgang Bosbach: Es geht um Korruptionsbekämpfung. Hier ist zunächst die Frage, ob man dies anonymisert oder personalisiert gemacht wird. Wenn Sie einen großen Betrieb haben und den konkreten Verdacht einer Straftat haben, dann können Sie Anzeige erstatten damit von amtswegen ermittelt wird. Dann kommt das das ganze Programm aus der Strafprozessordnung Befragung, Hausdurchsuchung etc. Wenn Sie jedoch präventiv tätig werden sollen, dann geht es jedoch nicht um personenbezogene Daten. Wäre es nicht interessant zu erfahren ob Überweisungen von der Firma auf das Privatkonto eines Mitarbeiters erfolgt sind? Gegen die Auswertung nicht personenbezogener Daten hat ja nochnichteinmal der Bundesbeauftragte für den Datenschutz etwas. Wie will man sonst präventiv gegen Korruption vorgehen?

Von Seiten der SPD ist man jedoch wenig begeistert vom bisherigen Gesetzesentwurf. Kritische Worte findet Marco Pagano von der Kölner SPD:

GL Aktuell: Wir konnten in der Synopse nicht sehen dass die Videoüberwachung ausgeweitet werden soll. Im Gegenteil sie soll verboten werden (verdeckte Überwachung). Wie sehen Sie das?

 

Marco Pagano: Grundsätzlich gilt für mich, dass die Videoüberwachung von Betriebseinrichtungen nichts Schlimmes ist. Sie dient u.a. der Sicherheit aller Beteiligten. Allerdings sind Beschäftigte über eine solche Überwachung im Betrieb zu informieren. Eine vollumfängliche Videoüberwachung gehört dabei allerdings verboten. Dies gilt ebenfalls für höchst sensible Bereiche wie Umkleideräume oder den Sanitärbereich.Die Pläne der Schwarz/Gelben-Bundesregierung öffnen aber gerade in diesem Punkt die Tore, wenn eine grundsätzliche Videoüberwachung zur Qualitätskontrolle ermöglicht werden soll. Dies kann alles bedeuten.

GL Aktuell: Wo sind die wesentlichen Veränderungen zu aktuellen Rechtslage?

Marco Pagano: Neben der Videoüberwachung sehe ich hier beispielsweise das Aufweichen des Gesetzes, in dem Abweichungen in Form von Betriebsvereinbarungen oder durch Zustimmung des Arbeitnehmers erlaubt werden. Dadurch kann der Schutz der Beschäftigten in der Praxis kontinuierlich ausgehöhlt werden.

Marco Pagano: Problematisch ist ebenfalls die Aufweichung hinsichtlich der Auswertung von Telefongesprächen oder Mails mit der Erweiterung auf „schwerwiegende Pflichtverletzungen“. Diese nicht weiter definierte Begrifflichkeit ermöglicht einen Blanko-Scheck bei der Überwachung. Hier Bedarf es vielmehr konkreter Definitionen zum Schutz der Arbeitnehmer und gleichsam der Arbeitgeber, die deren berechtigte Interessen zum Schutz des Unternehmens gerecht werden.

GL Aktuell: Was würde sich zum Positiven und was zum Negativen verändern wenn dieser Gesetzesentwurf so umgesetzt wird?

Marco Pagano: Grundsätzlich würde dem Arbeitgeber die Sammlung von Informationen über Beschäftigte und deren Überwachung vereinfacht. Der Schutz der Beschäftigten wird durch die Neuerungen vielmehr reduziert als gestärkt, so dass man hier nicht mehr über ein wirkliches „Schutz-Gesetz“ sprechen kann.

Es Bedarf letztlich eines Gesetz zum Schutz von Beschäftigtendaten, das diesen Namen auch verdient. Hierzu fordert die SPD:
– Neben den üblichen verbotenen Fragen zu Religion, Sexualität, ethnischer Herkunft, Behinderung, Vorstrafen, Gesundheit und so weiter darf auch nicht nach Schwangerschaft oder der Ausübung eines Ehrenamtes gefragt werden.
– Der Arbeitgeber darf sich nicht bei Dritten über den Bewerber erkundigen.
– Der Arbeitgeber darf keine öffentlich zugänglichen Daten, zum Beispiel aus dem Internet, über den Bewerber erheben.
– Muss sich ein Bewerber arbeitsmedizinisch untersuchen lassen, darf der Arbeitgeber nicht die Ergebnisse der Untersuchung mitgeteilt bekommen. Er darf lediglich erfahren, ob der Arzt den Bewerber oder die Bewerberin für die Tätigkeit als geeignet einstuft oder nicht.
– Wenn ein Arbeitgeber Daten erhebt, muss er sie umfassend nennen und begründen – und darf das auch nicht nachträglich ändern.
– Werden Daten etwa an Subunternehmer weitergegeben, muss der Beschäftigte informiert werden, was und warum es weitergegeben wurde.
– Beschäftigte sind über Videokontrollen umfassend aufzuklären.
– Die Videoüberwachung in auch privat genutzten Räumen wie Sanitär- oder Pausen- oder Umkleideräumen ist verboten.
– Die generelle Videoüberwachung von Beschäftigten zur Qualitätskontrolle ist verboten.
– Biometrische Daten dürfen nicht der Speicherung von Eingangs- und Ausgangsdaten dienen.
– Telekommunikationsverkehrsdaten dürfen nur anlassbezogen und auf tatsächlichem Fehlverhalten beruhend und dokumentiert genutzt werden.
– Eine generelle Inhaltskontrolle insbesondere zu Zwecken der Qualitätssicherung durch Mithören/Mitschneiden von Telefonaten ist auch bei Beschäftigten in Call-Centern nicht erlaubt.
– Es besteht ein ausdrückliches Verwendungs- und Verwertungsverbot für unrichtige oder unzulässig erhobene Daten. Außerdem dürfen Beschäftigte nicht gemaßregelt werden, wenn sie unzulässige Auskunftsersuche des Arbeitgebers unrichtig beantworten.

Lasse Pütz hat bereits gegen Wolfgang Bosbach bei der Bundestagswahl im Rheinisch Bergischen Kreis kandidiert. Von Ihm kommt eine der interessantesten Stellungnahmen wie wir finden:

Die Schaffung eines Beschäftigtendatenschutzes ist grundsätzlich zu begrüßen. Gesetzliche Regelungen, die für eine Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Bespitzelungen an ihrem Arbeitsplatz schützen, sind geboten. Leider wird jedoch der jetzige Entwurf der Bundesregierung diesen Erfordernissen in keiner Weise gerecht. Die Gesetzesinitiative geht vollständig in die falsche Richtung. Statt dem Grundrechtsschutz im Arbeitsverhältnis Rechnung zu tragen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, werden die Interessen der Arbeitgeber an einer Ausforschung und Überwachung seiner Angestellten in den Vordergrund gestellt. Wie die Datenskandale bei der Bahn, Lidl oder auch der Telekom zeigen, sind vielmehr klare Begrenzungen und Verbote bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten sowie Regelungen zum Schadenersatz bei Verstößen gegen das Gesetz geboten.

Ein Beschäftigtendatenschutzgesetz, das seinen Namen verdient, müsste in einem eigenen Gesetz und nicht im BDSG geregelt sein. Es entsteht der Eindruck, dass die Regierung die Regelungen in einem anderen Gesetz „verstecken“ will. Hierzu passt auch, dass die Normen nicht eindeutig sondern auslegungsbedürftig sind. Zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe wie „erforderlich“, „verhältnismäßig“ oder „betriebliche Gründe“ tragen die Gefahr von Willkür und Rechtsunsicherheit in sich. Ein gutes Gesetz sieht anders aus.

Betrachtet man die Inhalte des Entwurfes, fällt sofort ins Auge, dass die Möglichkeit der Videoüberwachung deutlich ausgedehnt werden soll. Bald könnte – entgegen der jetzigen Rechsprechung des Bundesarbeitsgerichts – fast das ganze Betriebsgelände und damit auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Kameras überwacht werden. Zwar mag die verdeckte Videoüberwachung für unzulässig erklärt werden, jedoch war diese auch bisher nur in ganz wenigen Situationen (Notwehr) zulässig. Auch wird das Fragerecht des Arbeitgebers erheblich ausgeweitet.

Das Beschäftigungsverhältnis ist keine Beziehung auf einer Augenhöhe. Dass die Möglichkeit bestehen soll, dass durch Dienst- oder Betriebsvereinbarungen oder durch die Einwilligung von jedem einzelnen Beschäftigten der – schon sehr geringe – Schutzstand des geplanten Gesetzes unterschritten werden kann, ist folglich reine Augenwischerei. Letztlich zeigen solche Regelungen nur, dass die Bundesregierung keine Ahnung von der Struktur eines Arbeitsverhältnisses hat. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zumeist abhängig von ihrem Arbeitgeber, eine „freiwillige Einwilligung“ ist in der Realität damit ein Hohn.

Die Bundesregierung will mit diesem Gesetz nichts zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beitragen. Der Ansatz des Gesetzes geht vielmehr in die Richtung den Schutz der Arbeitnehmer dem Kontrollwunsch der Unternehmen unterzuordnen. Die Regierung verkennt, dass Vertrauen der wichtigste Baustein für Unternehmenserfolg ist. Das geplante Gesetz fördert eine Kultur des Misstrauens.

Der Entwurf der Bundesregierung für ein Bundesdatenschutzgesetz ist leider so verkorkst, dass er nur in Gänze abgelehnt werden kann. Die bestehenden guten Entwürfe (z.B. der SPD Fraktion) sollten aufgegriffen und in einer Diskussion mit den relevanten Beteiligten (z.B. den Gewerkschaften) diskutiert und angepasst werden.

Andrej Hunko MbB von der Linkspartei stößt in das gleiche Horn wie die SPD. Er sieht keine Verbessungen durch das Gesetz für die Beschäftigten.

GL Aktuell: Wir konnten in der Synopse nicht sehen dass die Videoüberwachung ausgeweitet werden soll. Im Gegenteil sie soll verboten werden (verdeckte Überwachung) Wie sehen Sie das?

Andrej Hunko: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verbietet zwar die heimliche Videoüberwachung, er erlaubt aber explizit die offene Überwachung. Dadurch schließt das Gesetz eine Grauzone, allerdings mit dem Nachteil, dass nun Videoüberwachung legal möglich ist, wenn dies durch die „Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen“ begründet wird. Diese Interessen werden allerdings nur sehr schwammig formuliert, so dass eine Ausweitung der offenen Videoüberwachung wahrscheinlich ist. Das halte ich für inakzeptabel.

GL Aktuell: Wo sind die wesentlichen Veränderungen zu aktuellen Rechtslage? Was würde sich zum Positiven und was zum Negativen verändern wenn dieser Gesetzesentwurf so umgesetzt wird?

Andrej Hunko: Das Beschäftigtendatenschutzgesetz ist im Wesentlichen eine Verschlimmbesserung des ohnehin schlechten Status Quo: Es ist richtig, dass das bestehende Gesetz unzureichend ist und überarbeitet werden muss. Der Gesetzentwurf der Regierung tut dies jedoch auf eine Weise, die am Ende keine Richtungsänderung im Sinne der Interessen und Rechte der Beschäftigten bedeutet, wie es DIE LINKE fordert. Stattdessen orientiert sich die Bundesregierung an Unternehmensinteressen. Dies zeigt sich z. B. bei dem genannten Beispiel der Videoüberwachung, aber auch in Bezug auf die Erhebung personenbezogener Daten bei Dritten vor Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses: Hier sieht das Gesetz vor, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber „mit Einwilligung des Beschäftigten“ auch solche Daten erheben darf. Realität würde jedoch sein, dass beispielsweise eine Bewerberin schwer nein sagen kann, weil sie dann höchstwahrscheinlich die Stelle nicht erhält. Der Gesetzentwurf stellt keine Verbesserung des kritikwürdigen Zustands dar. Aus diesem Grund lehne ich den vorliegenden Gesetzentwurf ab.

GL Aktuell: Wir hatten einen Hinweis das das Beschäftigtendatenschutzgesetz im September im Innenausschuss behandelt werden soll. Wolfgang Bosbach zeigte sich überrascht, er wusste davon nichts. Liegen Ihnen / der Linken Infos vor wann hier was zur Abstimmung kommt?

Andrej Hunko: Vor der Sommerpause war das Beschäftigtendatenschutzgesetz im Innenausschuss auf- und dann wieder abgesetzt worden. Seitdem haben wir keine weiteren Informationen über eine mögliche erneute Aufsetzung erhalten.

Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass das Gesetz nach der Sommerpause wieder aufgesetzt wird, die Bundesregierung versucht zur Zeit möglichst viel durch den Bundestag zu peitschen.

 

Kommentar:

Einen Gesetzentwurf zu verabschieden, mit welchem weder die Arbeitgeber noch die Arbeitnehmerseite zufrieden ist wird sehr schwierig werden. Wir  mussten uns jedoch mit dem Thema und dem Gesetzentwurf genau beschäftigen um nicht blind auf die oft platten und zuweilen nicht stichhaltigen Argumente beider Seiten zu hören. Dem Argument der Rechtsklarheit konnten wir uns nicht verschließen, jedoch sehen wir nicht unbedingt wo hier Daten nun besser geschützt werden. Während wir uns die Synopse zu Gemüte führten fiel uns auf, dass in der Tat die verdeckte Videoüberwachung verboten werden soll. Dies halten wir nicht unbedingt für sinnvoll. Ebenso kann es auch nicht im Sinne des Erfinders sein, wenn die Gewerkschaften genau das Gegenteil behaupten. Die IG Metall Esslingen hat uns mit dem Punkt „die Möglichkeit der Videoüberwachung wird deutlich ausgedehnt“ doch ein wenig verärgert. Vergleichbar groß war unser Ärger aber auch über die Ansicht von Wolfgang Bosbach zu den verbotenen Fragen im Vorstellungsgespräch. Bei dem Statement: „Es gibt keine verbotenen Fragen. Es gibt aber Fragen wo Sie dann lügen dürfen als Bewerber.“ schlackerten uns doch gewaltig die Ohren. Ein Glück ist der Bundestagsabgeordnete im restlichen Themenkomplex sachlicher geblieben. Dass Diskriminierung verboten ist und zu unglaublich hohen Schäden in der Wirtschaft führt hat sich wohl noch nicht ganz bis in die Spitze der Union herumgesprochen.

Datenschutz ist eigentlich ein Topthema für die Piratenpartei. Leider war man von Seiten der bergischen Piraten diesmal nicht in der Lage eine Stellungnahme abzugeben. Auch Konstantin von Notz MdB (Grüne) gelobte eine Stellungnahme nachzureichen, sein Büro war leider aufgrund eines Wasserschadens in Seenot geraten.

Den vorliegenden Gesetztesentwurf halten wir für unausgereift. Er wird für keine Seite wesentliche Verbesserungen bringen, mal von der Rechtsklarheit abgesehen. Wenn keine Seite, also weder die Arbeitnehmerseite noch die Arbeitgeberseite, mit diesem Gesetz zufrieden sein wird, dann kann man es doch eigentlich auch lassen war unser Vorschlag. Dem stimmte sogar Wolfgang Bosbach zu. In einem Punkt geben wir aber auch der Gewerkschaft recht: Mit dem Schutz von Grundrechten im Arbeitsverhältnis hat der vorliegende Gesetzesentwurf nicht genug zu tun.

Es bleibt nun abzuwarten ob in dieser Legislaturperiode hier noch ein produktiver Konsenz gefunden werden kann, oder ob man es nicht besser der nächste Regierung überlässt, das Beschäftigtendatenschutzgesetz völlig neu zu konzipieren.

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