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Gut gehabt

24 Juni 2013 von B. J.

„Du hast was mit der Frau!“ Er hatte den Opel Rekord günstig von einem Kollegen erworben. Es blieb genug Geld für den Urlaub in Jugoslawien. „Ihr turtelt im Büro!“ Eins komma sieben Hubraum, in unter zwanzig Sekunden auf hundert und mit einer Vier-Gang-Schaltung. Nicht schlecht für diese Familienkutsche. „Sag die Wahrheit!“ Der Schlitten machte fast 140 Sachen, damit ließ sich die Straße putzen. Selbsttragendes Stahlblech, nur leicht angerostet. Mit einer guten Politur wird der wieder blank. „Das ist doch alles Quatsch“, sagte er verärgert und gab Gas -.

In dem steilen, sich wölbenden Berghang klaffte eine Wunde, geschnitten im Zick-Zack und mit brüchigen Teer bedeckt. Aus ihrem Krustenrand quoll das Geröll. Auf der riesigen Rücksitzbank eines grauen Opel Rekords mit deutschen Kennzeichen war dem schmächtigen Jungen heiß und stickig. Ihre praller, bauchiger Kunststoff gab ihm keinen Halt. Die Mutter und der Vater stritten laut auf den Vordersitzen. Auf der Klappe des Handschuhfachs prangte der Schriftzug „Olympia“.

Die Serpentine fällt den Hang hinunter, zu schmal, um sich zu halten. Am Sichthorizont des Hügels, steil unter dem verstaubten Seitenfenster des Wagens, klammern sich hilflos dörre Büsche an karge Böden. Flimmernde, scharfe Rillen schneiden ihre starren Wurzeln. Aus dem Auto heraus ist das grüne Tal ist nicht zu sehen. Haarnadelkurven kreisen den Opel ein, der Wagen nimmt an Fahrt auf. Den Kopf gefangen im Surren der vibrierenden Hinterachse, spürt der Junge, wie er auf ihr wild reitend aus den engen Kurven rutscht, sieht, wie der Straßenrand nach den Rädern schnappt. Unter seiner Nasenspitze wirbeln kleine.gebrechliche Pfeiler einsam vorbei. Abrupt endet der schwarze Teerstreifen vor der Windschutzscheibe. Knirschend packten die Bremsscheiben seinen federleichten Körper. Hart greift der Fensterhebel nach seinem dünnen Arm. Er spürt den Ärger in der Stimme des Vaters. Stechendes Benzin in zarten Plastikschmelz, umhüllt von Gummibärchen und Staubflocken. Auf der Sitzbank tanzen ihn benommen kleine Körner an und verkrüseln sich fix zwischen den Polsterwülsten. Er schaut zur Frontscheibe, die Sonne verschlingt den Wagen aufs Neue. Kahle Bäume gestikulieren warnend mit knorrigen Armen. Der Opel kreiselt und schlingert von Kurve zu Kurve. Der Vater kann nicht reden. Die Reifen kreischen in der Hitze. Aber die Mutter hört sie nicht -.

Er habe doch eine gute Kindheit gehabt, erzählte ihm stolz seine alt und grau gewordene Mutter: „Wir haben dich jedes Jahr mit in den Urlaub genommen, so gut haben es andere nicht gehabt. Ja sogar nach Jugoslawien, das war damals gar nicht üblich. Aber wie dir immer beim Autofahren übel wurde! Dein Vater hatte sich sogar für dich unters Auto gelegt. Einen Gummistreifen wegens der statischen Aufladung des Wagens montiert. Geholfen hat es nichts. Aber du warst schon immer ein komischer Junge.“

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