Im Rahmen der öffentlichen Vorführung von „Reiche Bürger, arme Stadt“ im Bergischen Löwen durften wir den Macher des Dokumentarfilmes Ingolf Gritschneder exklusiv interviewen.
GL-Aktuell: Sie hatten sich überlegt, ob Sie überhaupt mit uns reden wollen, da jemand Sie/ den Dokumentarfilm schlecht gemacht hat. Können Sie uns sagen wer und warum?
Gritschneder: Nein. Da kann ich mich grob dran erinnern. Ich möchte da aber jetzt nicht nachkarten.
GL-Aktuell: Was machen Sie beruflich, Herr Gritschneder?
Gritschneder: Das ist mein Hauptberuf (Dokumentarfilmer). Ich mache manchmal auch noch kürzere Sachen für Monitor und manchmal Magazinbeiträge für ARTE. Das ist mein Tagesgeschäft.
GL-Aktuell: Wieviel Recherchearbeit haben Sie in den Dokumentarfilm „Reiche Bürger, Arme Stadt“ investiert und welcher Art?
Gritschneder: Genau kann ich das nicht mehr beziffern. Grundsätzlich kann man sagen, dass solche Produktionen mehrere Monate Arbeit in Anspruch nehmen. Es dauert manchmal eine ganze Zeit, bis man die entsprechenden Interviewpartner bekommt und entsprechende Hintergrundinformationen bekommt. Ich habe mich auch während meiner Recherchen mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern zusammengesetzt und versucht Details und Wirtschaftsdaten zu klären. Hier ist natürlich die Frage der Steuer schwer zu klären, weil das Steuergeheimnis davor steht. Man kann nur versuchen irgendwie über die Bilanzen der Firmen Annäherungsweise der Frage näherzukommen
GL-Aktuell: Bürgermeister Lutz Urbach hat gesagt er hält den Film nicht für einen Dokumentarfilm. Warum denken Sie will Lutz Urbach Sie derart kritisieren?
Gritschneder: Ich weiß jetzt nicht, ob das jetzt Kritik ist oder nur eine Fehleinschätzung. Also wenn er der Meinung ist, dann ist das sicherlich seine persönliche Meinung, aber da wäre er glaube ich ziemlich alleine mit.
GL-Aktuell: Haben Sie den Eindruck, dass die Lokal/ Regionalpolitiker in Finanzfragen keine Ahnung haben bzw. nur unzureichend vorgebildet sind?
Gritschneder: Also, das könnte ich jetzt pauschal nie so behaupten, man muss natürlich sehen, dass Lokalpolitiker das in Ehrenamt machen und auch nur begrenzt die Möglichkeit haben sich da in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten. Manchmal stehen auch nicht die notwendigen Informationen zur Verfügung oder sie werden von der Verwaltung entsprechend aufbereitet. Das ist sicherlich auch sehr schwer für ein ehrenamtliches Ratsmitglied sich da in komplexe Vertragswerke die ja manchmal hunderte Seiten lang sind und schon für einen Juristen schwierig sind zu durchblicken sich da einzuarbeiten.
GL-Aktuell: Wie prognostozieren Sie in Zukunft in Bergisch Gladbach die soziale Kluft zwischen Arm und Reich?
Gritschneder: Das ist natürlich eine schwere Frage für mich, dass zu prognostizieren. Generell gibt es da aktuelle Zahlen, wie sich das jetzt auf Bundesebene entwickelt. Die Zahlen stimmen ja nicht gerade optimistisch. Ich wüsste jetzt nicht, ob sich das jetzt in Bergisch Gladbach anders entwickeln sollte.
GL-Aktuell: Sie denken dabei an den aktuell und bundesweit veröffentlichen Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung?
Gritschneder: Die Frage wäre warum sollte die Situation in Bergisch Gladbach sehr davon abweichen. Sicherlich gibt es andere Gegenden, wo insbesondere einfach mehr Armut herrscht. Wie sich die Schere hier entwickelt, da wage ich wirklich keine Prognose.
GL-Aktuell: Der kanadische Ökonom Galbraith hat dieses Phänomen der Verarmung der öffentlichen Haushalte und des zunehmenden Reichtums privater Bürger in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts herausgefunden. Trifft diese Situation jetzt und auch in Zukunft auf Bergisch Gladbach zu?
Gritschneder: Dazu müsste ich das kennen. Dazu sind mir die Einzelheiten nicht bekannt. Ich kann mich da nur auf die allgemein zugänglichen Zahlen beziehen. Da könnte ich jetzt ehrlich gesagt relativ wenig zu sagen.
GL-Aktuell: Sind Sie Mitglied einer Partei?
Gritschneder: Nein.
GL-Aktuell: Sind Sie Mitglied in einer Gewerkschaft oder in einem Arbeitgeberverband?
Gritschneder: Ich bin als Journalist Mitglied in der Ver.di. Ich möchte aber betonen, dass ich die Veranstalter/Initiatoren der Veranstaltung vom 21. September „Die Stadt gehört uns allen“ vorher weder persönlich noch beruflich kannte. Ich lasse mich auch nicht politisch vor irgendeinen Karren spannen. Ich betrachte meine Berichterstattungen aus dem Blickwinkel eines Journalisten und nicht eines Politikers. Auf diese Differenzierung lege ich Wert.
GL-Aktuell: Was halten Sie für den größten Skandal in Ihrem Dokumentarfilm „Reiche Bürger, Arme Stadt“ und warum?
Gritschneder: Ehrlich gesagt, sehe ich das nicht als eine Skandalberichterstattung. Und ich glaube da auch nicht, dass ich besonders große Sachen aufgedeckt habe. Es ging mir darum, die Situation in der Stadt, in der ich auch lebe zu beschreiben und die Probleme, welche von den Bürgern formuliert werden. Ich würde hier niemanden an den Pranger stellen. Ich wollte einfach mal das Thema Steuern behandeln und ansprechen und einen Stein sozusagen ins Wasser werfen, um die Diskussion mal anzuregen. Die Einnahmesituation ist ja ganz offensichtlich ein Problem. Das wird keiner leugnen in der Stadt. Ich denke es ist gut wenn darüber berichtet wird sowie über mögliche Ursachen, sage ich hier ganz bewusst. Und wenn eine Veranstaltung wie die von gestern stattfindet, zeigt das ein großes Interesse wenn so viele Leute kommen. Es kamen in etwa 50-60 interessierte Bürger, welche an der Veranstaltung vom 21. September 2012 „Die Stadt gehört uns allen“ teilnahmen. In jedem Fall zeigt das ja, dass das Thema die Bürger bewegt. Mir als Journalist geht es nur um die Berichterstattung und möglicherweise auf etwas aufmerksam zu machen. Ich bin kein Politiker und bin auch wie gesagt in keiner Partei. Für einen Journalisten ist es immer schön, wenn es Reaktionen gibt und wenn eine Berichterstattung zu irgendetwas führt.
GL-Aktuell. Sie sehen das also rein aus dem Aspekt eines Journalisten?
Gritschneder: Ich bin kein Politiker. Ich sehe zwar den Auftrag der Presse als einen politischen an, aber ich würde keine Partei in irgendeiner Richtung ergreifen. Es kommen fast alle Parteien in dem Dokumentarfilm zu Wort u.a. die Bürger, welche in der Stadt ein gewichtiges Wort reden.
GL-Aktuell: Haben Sie den Eindruck in Bergisch Gladbach herrscht Vetternwirtschaft/Korruption?
Gritschneder: Da bin ich jetzt wirklich nicht genug eingedrungen in die Materie um das zu beantworten. Es gibt natürlich in jeder Kommune Probleme, dass Leute versuchen, auch über den Stadtrat und über die politische Schiene ihre persönlichen Ziele oder die Ihrer Freunde/Bekannten irgendwie zu beeinflussen. Das gibt es in jeder Kommune. Das betrifft meistens den Bausektor.
GL-Aktuell: Können Sie die Korruption von Bergisch Gladbach, denen mit anderen Städten vergleichen?
Gritschneder: Ich könnte jetzt keinen Fall von Korruption nennen, der mir jetzt untergekommen wäre, natürlich wenn man mit Bürgern redet, wird einem von dem einen oder anderen Projekt berichtet, wo es vielleicht bestimmte Verdachtsmomente gibt, aber ich persönlich könnte das jetzt überhaupt nicht so formulieren.
GL-Aktuell: Herr Reddel tauchte gestern Abend überraschend auf der Veranstaltung auf und beleidigte Sie barsch, aggressiv und wirklich unprofessionell. Es ging darum, dass sie schlecht oder überhaupt nicht recherchiert hätten für Ihren Film „Reiche Bürger, Arme Stadt“. Was würden Sie dem denn entgegensetzen?
Gritschneder: Das ist seine persönliche Meinung. Die kann ich Ihm natürlich nicht nehmen. Ich kann letztendlich nur sagen, dass er lange genug die Gelegenheit hatte sich zu äußern. Wenn er dann im Nachhinein ankommt und behauptet sie haben das verfälscht oder was auch immer.
GL-Aktuell: Herr Reddel sagte, Sie hätten irgendwas rausgeschnitten was konkret mit der Gewerbesteuer zu tun hätte.
Gritschneder: Die Fragen dazu waren alle drin. Er hat sich dazu ja unmissverständlich geäußert, dass er ein guter Zahler sei. Ich stehe einer solchen Kritik bezüglich der Recherche relativ gelassen gegenüber. Wenn ich schlecht recherchiert hätte, dann hätte es sicherlich die eine oder andere rechtliche Auseinandersetzung gegeben. Die hat es nicht gegeben, also kann ich davon ausgehen, dass das vielleicht bei dem ein oder anderen auf Kritik trifft, aber jedenfalls nicht mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist.
GL-Aktuell: Gestern wurde sowohl von Ihnen als aber auch von einigen Bürgern aus dem Publikum konstatiert, dass solch ein Film heutzutage nur noch mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten möglich ist. Sehen Sie das auch für die Zukunft?
Gritschneder: Ja, also ich glaube, dass das tendenziell kein Thema für die Privaten ist. Dafür ist das viel zu unspektakulär. Andererseits haben wir aber die Erfahrung gemacht, dass der Dokumentarfilm“ Reiche Bürger, Arme Stadt bisher 5 bis 6 mal auf verschiedenen öffentlich-rechtlichen Programmen wie z.B. WDR, ARTE oder PHOENIX und diversen Dritten Programmen wiederholt wurde. Immerhin zeigt dieser Film ja auch, dass die hier angesprochenen Probleme auch auf andere Kommunen zutrifft. Es trifft auch in anderen Städten auf großes Interesse.
GL-Aktuell: Können Sie sich für die Zukunft ein ähnliches Projekt vorstellen, vielleicht über Themen wie Börse, Finanzmärkte oder sogar die internationale Finanzkrise zu realisieren?
Gritschneder: Ich habe in den letzten Jahren diverse Geschichten gemacht, welche sich mit Wirtschaftsthemen befassen, wie z.B. über Karstadt oder Oppenheim. Natürlich kann ich mir das auch für die Zukunft vorstellen.
Ich denke es braucht immer Leute, welche sich mit komplexen Finanzthemen auseinandersetzen.
GL-Aktuell: Sie haben sicher den Dokumentarfilm „Goldman Sachs – Eine Bank lenkt die Welt“ auf ARTE gesehen? Welchen Eindruck hatten Sie von dem Film?
Gritschneder: Mit Goldman Sachs hatten wir bezüglich der Karstadt-Geschichte zu tun. Klar kann ich mir das vorstellen auch in Zukunft solch ein interessantes Projekt in Angriff zu nehmen. Das Thema Goldman Sachs ist ja erst mal spektakulär und von globalem Interesse. Ich bin auch der Meinung, dass auch die lokalen Themen für die Leute von Interesse ist und sein wird.
Der Dokumentarfilm wurde von der IG „Die Stadt gehört uns allen“ im Bergischen Löwen vorgeführt und diskutiert