Archiv | März 20th, 2013

Leben ohne Dach über dem Kopf

20 März 2013 von Darian Lambert

Obdachlosigkeit im Jahr 2013 in Deutschland

In einer Gesellschaft mit annähernd 82 Millionen Menschen, einem Sozialstaat in dem niemand ohne Dach über dem Kopf oder mit Hunger leben müsste, sind sie die Schatten der Gesellschaft. Menschen die am Existenzminimum leben, sich in Suppenküchen und Bahnhofsmissionen die notwendige Lebensgrundlage sichern müssen. Es sind die vergessenen Seelen der Gesellschaft. Sie werden ausgegrenzt und häufig missgünstig und mit regelrechten Ekelgefühlen beäugt. Obdachlosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist leider häufig immer noch ein Tabuthema.

Wer in Deutschland nachts auf der Straße schlafe, tue das, weil er es tun will, nicht weil er es tun müsse. Diese Menschen seien dann auch nicht „obdachlos“, sondern „nichtsesshaft“. Schließlich fange das deutsche Sozialsystem jeden auf. Ein Gerücht mit dem viele Menschen versuchen die bestehende Armut in unserem Land zu verdrängen.

Langzeitobdachlose sind heute in den meisten Großstädten präsent. Abfällige Bezeichnungen wie „Penner“ oder die Gleichsetzung mit Bettlern sind im Alltag weit verbreitet. Während sich die Staaten Europas um ein gemeinsames „europäisches Haus“ bemühen, haben immer mehr Menschen in diesen Ländern kein Dach über dem Kopf: Eine Bestandsaufnahme der Feantsa (Zusammenschluß nationaler Obdachlosen-Vereinigungen) im Auftrag der Europäischen Kommission ergab, daß in den EU-Mitgliedsländern insgesamt rund 1,1 Millionen Obdachlose leben.

Deutschland belegt dabei im europäischen Vergleich mit 490 700 Obdachlosen den einsamen Spitzenplatz; von 10000 Deutschen haben somit 60 keine feste Bleibe.

Die Mehrheit der europäischen Obdachlosen ist unerwartet jung: Mehr als die Hälfte der Obdachlosen ist zwischen 20 und 39 Jahre alt. Seit Beginn der neunziger Jahre ist dabei die Zahl der 18- bis 25jährigen Obdachlosen am stärksten gewachsen. Aber auch Frauen sind immer öfter von Obdachlosigkeit betroffen: Lag ihr Anteil zwischen 1985 und 1990 nur bei zehn Prozent, ist er inzwischen auf 40 Prozent gestiegen. Besonders häufig betroffen sind dabei alleinerziehende Frauen. Bei den Männern sind 90 Prozent partnerlos.

 

Gründe für Obdachlosigkeit

Bei 37,5 Prozent der Obdachlosen liegt der Wohnungsverlust in der Trennung oder Scheidung vom Partner begründet. 21,5 Prozent leben aufgrund des Auszuges aus der elterlichen Wohnung auf der Straße. Etwa 10 Prozent fliehen vor (meist sexueller) Gewalt. Weitere Faktoren, wie zum Beispiel Mietschulden, sind ein häufiger Grund vor allem für Männer, in die Obdachlosigkeit zu fallen.

Ein Grund, warum viele Frauen obdachlos werden, ist, dass Frauen in Deutschland rund 30 Prozent weniger verdienen als Männer. Aufgrund der hohen Prozentzahl von Frauen in Teilzeit- und geringfügigen Beschäftigungen haben sie kleinere Renten, so dass Altersrenten von Frauen um mindestens die Hälfte niedriger sind als die von Männern. Billiger Wohnraum ist jedoch knapp.

Allgemein, also nicht auf Geschlechter bezogen, liegen die Ursachen für Obdachlosigkeit vor allem im Beruflichen, genauer: in der Krise auf dem Arbeitsmarkt. So kann man zum Beispiel erkennen, dass proportional zum Anstieg der Arbeitslosenquote die Zahl der Obdachlosen ansteigt. Dazu kommt, dass ein Grund für die Obdachlosigkeit häufig eine fehlende Berufsausbildung ist. So ist es beispielsweise nicht erstaunlich, dass etwa 50 Prozent aller Obdachlosen keinen Beruf haben. Einige der Obdachlosen haben zwar Berufe erlernt, doch sind es solche, die inzwischen von der Automatisierung und strukturellen Arbeitslosigkeit betroffen sind . Infolgedessen arbeiten einige Obdachlose illegal und ohne rechtliche Absicherung, da sie keine Chancen haben, auf dem regulären Arbeitsmarkt unterzukommen. Eine Hauptursache für das soziale Aus, die in der Regel mit der Arbeitslosigkeit einher geht, bilden die schon erwähnten Mietschulden.

Obdachlosigkeit verletzt die Würde des Menschen. Folglich müssen wir den Tatbestand der Wohnungslosigkeit als Verstoß gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot begreifen. Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik darauf festgelegt, ein „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ zu sein. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, sich um soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich zu bemühen.

Obdachlosigkeit kann jeden treffen

Auch wenn ein großer Teil der Betroffenen aus dem Umfeld sozial schwacher Familien stammt, so zeigt sich doch, dass Obdachlosigkeit jeden treffen kann. Schaut man sich in Suppenküchen oder Obdachlosenunterkünften um und sucht das Gespräch mit Betroffenen, so stellt sich schnell heraus, dass Personen aus jeder Gesellschaftsschicht in diese Situation geraten können. So trifft man ehemalige Ärzte ebenso, wie Arbeiter, ehemals erfolgreiche Professoren oder sogar Banker. Hört man genau hin, erfährt man, dass der Einstieg in den Abstieg sehr oft berufliche Überforderung war, die zu Alkohol- oder Drogenproblemen führte, an die sich dann fast zwangsläufig die „klassischen“ Folgeerscheinungen mit der Endstation Straße anschlossen.

Beim Anblick von Obdachlosen darf niemand wegschauen

Der „Normalbürger“ neigt dazu, einfach wegzusehen und schnell weiterzugehen, wenn ihm auf der Straße Obdachlose begegnen. In dem Bewusstsein, dass ein solches Schicksal jeden treffen kann, ist jeder aufgerufen, die Situation obdachloser Menschen zu verbessern und sei es nur durch ein hoffnungsvolles Wort oder einen verständnisvollen Blick. Die Bürger und vor allem die Politik sind aufgerufen, selbst aktiv zu werden. Denn aufgrund ihrer Situation darf man nicht erwarten, dass die Betroffenen von selbst den ersten Schritt machen, dazu sind sie im Normalfall nicht bzw. nicht mehr in der Lage. Die Initiative kann nur von denen ausgehen, die das soziale Netz in Deutschland geknüpft haben. Sie müssen noch viel stärker nach Löchern in diesem Netz Ausschau halten und sie schließen, denn niemand sollte in einem Sozialstaat auf der Straße leben müssen.

 

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Statement der AG Arsch huh zu den Kürzungsplänen der Verwaltung

Kölle paß op!

Für einen fairen Stadthaushalt – für eine solidarische Stadt.

In den kommenden Wochen berät der Rat der Stadt Köln den Stadthaushalt für die Jahre 2013/2014. Der Gesamtetat Kölns beläuft sich auf 3 Milliarden Euro. Der Großteil des Budgets ist durch sog. Pflichtleistungen bereits festgeschrieben. Über die Verteilung von etwa 20% aber, also immerhin rund 600 Mio. Euro, entscheiden die Frauen und Männer im Stadtparlament, die wir gewählt haben. Die Rot/Grüne Ratsmehrheit hat sich auf die Fahnen geschrieben vor allem die Belange der Jugend und des sozialen Miteinanders zu schützen und zu stützen. Die von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen Kürzungen in den Bereichen Jugend und Soziales, über die die Ratspolitiker nun entscheiden, bedeuten aber genau das Gegenteil.

Wir appellieren an die Politik Prioritäten zu setzen und fordern:

– dass nicht nur in der Innenstadt investiert, sondern wie am Beispiel der Bürgerzentren und Jugendzentren eben auch in den Stadtteilen und Randbezirken.

– dass die Kürzungsvorschläge in den Bereichen Jugend und Soziales, die den Zusammenhalt in dieser Stadt stärken, dass diese Kürzungsabsichten vom Rat der Stadt Köln abgelehnt werden.

– dass die über Jahre gewachsenen Strukturen, die mit kleinen und kleinsten Budgets wichtige Arbeit leisten, eben nicht auf grob fahrlässige Art und Weise, mit dem Argument des allgemeinen Sparzwanges platt gemacht werden.

Es gibt viele Stimmen, die sagen, Köln sei reich genug, es sei genug für alle da. Jetzt gilt es mit vereinten Protest den Ratspolitikern klar zu machen, dass die Zerstörung sozialer Strukturen mit uns nicht zu machen ist. Zumal in Hinblick auf geplante Luxusgroßprojekte wie der archäologischen Zone oder dem sog. Rheinboulevard in Deutz Geld im Überfluß zur Verfügung zu stehen scheint. Nach dem altbekannten Motto: Wä vill hätt demm weed jejovve – wä nix hätt demm weed jenomme. Wir aber halten dagegen: Nur wer sich aufrafft, den Arsch hoch kriegt und sich engagiert, kann erwarten gehört zu werden. Also: Kölle paß op – “Nut und Prunk verdraren sich nit.”

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