Frank Samirae, Vorsitzender der Bürgerpartei GL im Interview zur Kommunalwahl 2014.
Was wäre Ihr erster Gedanke, wenn Sie am 26. Mai als stärkste Ratsfraktion der Stadt Bergisch Gladbach aufwachen? Was würden Sie als Erstes „anpacken“?
Wir haben drei Punkte, welche wir, dann nach einem guten Frühstück direkt angehen werden:
1. Kommunalpolitik gemeinsam mit den Bürgern
Kommunale Politik muss mit den Bürgern gemeinsam entwickelt werden. In Fragen wie z.B. der Investition in Energie und Stadtwerke müssen die Bürger von Anfang an in die Entscheidungsfindung mit eingebunden werden. Wir werden gemeinsam mit der Verwaltung Bürgernähe und Transparenz einführen. Deshalb haben wir uns Bürgerpartei genannt.
2. Erhalt der Schwimmbäder
Das technisch völlig intakte RTB-Schwimmbad soll einen jährlichen Zuschuss von rund 50.000 € erhalten, bis es wieder auf eigenen Füßen steht. Wir sehen Möglichkeiten der Kostensenkung im Innendienst der Verwaltung, die auch für die Sanierung des Schwimmbads Mohnweg genügend Mittel freimachen sollten.
3. Infrastruktur
In Bergisch Gladbach brauchen wir ein zweites Bahngleis für die S-Bahn und nahe gelegene Park & Ride Parkplätze. Wir wollen den Ausbau der Breitband-Internetversorgung in allen Stadtteilen beschleunigen. Eine gute Infrastruktur wirkt sich positiv auf die Wirtschaft und die Bürger aus. Sie wird sich auch im Haushalt positiv widerspiegeln.
Ist Bergisch Gladbach Ihrer Meinung nach eine finanziell solide Stadt?
Bergisch Gladbach ist hoch verschuldet und macht weiter Schulden. Bereits jetzt ist unser Haushalt durch die Zinsbelastung von jährlich 11 Millionen Euro stark beeinträchtigt. Einsparungen sind möglich und nötig. Aber es darf nicht in den Bereichen Kindergärten, Schulen, Sporteinrichtungen, Weiterbildung gespart werden, denn das ist unsere Zukunft. Es stellt kein geeignetes Mittel dar, alle privatisierbaren Bereiche zum Ausgleich des Haushalts zu Lasten der Bürger zu veräußern.
Unser Ziel ist eine schuldenfreie Stadt mit einem stabilen Wirtschaftskonzept. In Bergisch Gladbach werden ca. 50 ha Gewerbeflächen nicht genutzt oder liegen brach. Wir schlagen eine Senkung der Gewerbesteuer vor, um unsere Stadt für neue Unternehmen attraktiver zu machen. Die Summe der Gewerbesteuer wird dadurch steigen.
Bergisch Gladbach hat so gut wie kein Nachtleben, besonders für Jugendliche ist das ein Problem, sie weichen auf andere Städte aus. Was wollen Sie konkret gegen dieses Problem unternehmen, falls die Bürgerpartei GL einige Mandate bekommt?
Viele Jugendliche und Erwachsene fahren nach Köln, um ihre Freizeit zu gestalten. Auch in diesem Bereich verlieren sie die Identifikation mit unserer Stadt. Eine lebendige Innenstadt, Kulturzentren und der Betrieb von ein oder zwei Diskotheken im Bereich der Gewerbegebiete, damit Anwohner in der Nachtruhe möglichst nicht belästigt werden. – Wer in Bergisch Gladbach lebt, soll auch gut feiern können. Zudem benötigen die kreativen Menschen aus Musik, bildender Kunst, Fotografie, Theater und anderen kulturellen Bereichen Räumlichkeiten, um sich zu entfalten und zu präsentieren.
Was werden Sie gegen die „Verwilderung“ und das Geschäftssterben in der Innenstadt tun?
Ein zentrales Problem für den Einzelhandel und die Vermieter ist die Kaufkraft. In der Stadt und im Kreis müssen mit modernen Wirtschaftskonzepten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir brauchen Neuansiedlungen, auch im Bereich der Ausbildung. Wenn Universitäten Außenstellen anlegen, dürfen wir nicht leer ausgehen. Wir müssen Erwerbslose mehr fördern. Eine Weiterbildung, um sich fachlich auf einen aktuellen Stand von Wissen und Fertigkeiten zu setzen, kann von den Betroffenen nicht allein gestemmt werden. Viele Menschen in Bergisch Gladbach haben ihre Wurzeln in anderen Regionen oder Ländern. Jeder Bürger, der sich in Bergisch Gladbach einbringen will, muss sich auch einbringen können. Das fängt bei den Kindern, Schülern und Auszubildenden an.
Was fehlt Bergisch Gladbach Ihrer Meinung?
Eine Kommunalpolitik, die der Bürger mitgestaltet, anstatt dass er von ihr verwaltet wird. Es fehlt der Stadt das Bewusstsein, dass Politik gemeinsam mit den Bürgern gestaltet werden muss. Die Kluft zwischen Selbstverständnis der Verwaltung, den verkrusteten und selbstzufriedenen Strukturen der etablierten Parteien und der Lebenswirklichkeit der Bürger ist viel zu groß geworden. Bürgerbeteiligung darf kein Fremdwort in Bergisch Gladbach bleiben.
Die BELKAW beschäftigt die öffentliche Meinung und Diskussion seit geraumer Zeit. Der Stadtrat hat dafür gestimmt, sich mit 49,9 % an der BELKAW zu beteiligen. Was ist die Position der Bürgerpartei GL dazu?
Es war eine unbesonnene Entscheidung eines fachlich überforderten Stadtrats. 78 Millionen Euro auf Darlehensbasis auszugeben, ohne Entscheidungsgewalt zu haben, ist Blindflug. Für die versprochenen Renditen gibt es keinerlei Garantie, so dass diese Sache später zu einer großen Belastung für die Stadtkasse würde. Zudem soll in veraltete, belastende Energien wie Kohle und Kernkraft investiert werden. Bergisch Gladbach kann Vorreiter sein und in erneuerbare Energien, wie Wasser, Sonne, Erdwärme, Biogas und auch Wind investieren. Dabei ist vorab die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sicher zu stellen. Wer betroffen ist, muss auch mitreden und mitentscheiden können. Wir fordern schon seit geraumer Zeit, dass die Verhandlungsunterlagen offen gelegt werden.
Nun haben wir schon sehr viel über Wirtschaft und Finanzen gesprochen. Macht die Bürgerpartei GL auch etwas Soziales?
Wir setzten uns dafür ein, dass wir weitere städtische Kindergärten bauen. Es kann nicht sein, dass junge Mütter nicht in ihr Arbeitsverhältnis zurückkehren können, weil sie bei der Suche nach einem Kita-Platz nur vertröstet werden. Das gilt nicht nur für alleinerziehende Mütter sondern auch für Väter. In der heutigen ökonomischen Situation müssen in der Regel beide Elternteile arbeiten gehen, um finanziell über die Runden zu kommen und um noch gesichert zu sein, wenn einer den Job verliert. Ferner muss es mehr Fördermöglichkeiten für Schüler geben. Es wäre optimal und auch eine Entlastung für unsere Kassen, wenn jeder Schüler wirklich einen Schulabschluss schafft, egal welcher Herkunft.
Bergisch Gladbach hat viele Partnerstädte, unter anderem auch in Israel und Palästina. Wie werden Sie sich dem Thema der Pflege der Partnerschaften nähern? Haben Sie neue Ideen?
Die Städtepartnerschaften tragen einen wichtigen Teil zu Völkerverständigung und Frieden bei. Hier ist in Bergisch Gladbach bereits viel ehrenamtlich geleistet worden. Wir treten zudem dafür ein, dass jede Schule mindestens eine Partnerschule in einem Land der so genannten Dritten Welt haben sollte, damit das Verständnis gefördert wird, dass wir in einer globalisierten Welt mit gemeinsamen Problemen leben.
Was motiviert die Bürgerinnen und Bürger dazu, Ihre Stimme der Bürgerpartei GL zu geben? Ich stelle mal hypothetisch provokativ fest: Bei den anderen Parteien handelt es sich um etablierte und einschätzbare Parteien. Da weiß man, was man bekommt. Was entgegnen Sie dem?
Bei den Kommunalwahlen bewerben sich diesmal zwölf Gruppierungen. Das ist ein Rekord, der die Abkehr der Gladbacher von den alten Parteien aufzeigt, aber auch ihre Zersplitterung. Wir möchten die Interessen aller Bürger in der Stadt beachten und nicht allein die Interessen von kleineren oder größeren Einzelgruppen bedienen. Die Kommunalpolitik ist gemeinsam mit allen Bürgern zu gestalten. In unserem Team haben wir eine Reihe von Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen. Wir werden uns sachkundig im Stadtrat, im Kreistag und in den Fachausschüssen einbringen und eine konstruktive Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg einfordern. Korruption und Vetternwirtschaft werden wir dabei nicht tolerieren.