Von der Reform zur Farce – Kritik an vorschneller Abschaffung der Parkautomaten wächst / Frank Samirae: „Stadt politisch wie personell überfordert“
Bergisch Gladbach. Mit einem umstrittenen Beschluss hat der Ausschuss für Infrastruktur, Umwelt, Sicherheit und Ordnung (AIUSO) die Weichen für eine radikale Wende gestellt: Ab dem 1. Januar 2026 sollen in der gesamten Stadt sämtliche Parkscheinautomaten abgebaut werden. Parkgebühren sollen dann ausschließlich per App bezahlt werden – Bargeld und EC-Karte werden abgeschafft, als einziges Ausweichmodell bleibt ein manuell zu erwerbendes „Pickerl“. Die Entscheidung fiel mit der Mehrheit von Grünen, SPD und FWG – gegen die Stimmen von CDU und AfD, bei Enthaltung der FDP.

Unüberlegter Beschluss oder moderner Fortschritt?
Während die Fraktionen der Grünen und FWG diesen Schritt als „mutig und zukunftsgerichtet“ feiern, äußern sich zahlreiche Bürger:innen, Gewerbetreibende und Oppositionspolitiker zunehmend fassungslos. Denn was als digitale Modernisierung verkauft wird, droht zum organisatorischen Kollaps zu werden – mit erheblichen Folgen für Bürgerfreundlichkeit, Innenstadtbesuch und die Arbeit des Ordnungsamtes.
„Bergisch Gladbach ist weder personell noch politisch in der Lage, eine solch abrupte digitale Transformation umzusetzen“, kritisiert Frank Samirae, Vorsitzender der Bürgerpartei GL und Inhaber eines IT-Fachgeschäfts in der Schlossstraße. „Was hier beschlossen wurde, ist realitätsfern und unausgereift. Die Folge wird ein komplettes Chaos in den Innenstädten und ein Kollaps der Ordnungskräfte sein.“
Pickerl statt Automat – undurchdachte Übergangslösung
Die Alternativlösung für Bürger:innen ohne Smartphone: Ein Papier-Gutscheinheft („Plus-Ticket“), das in den Bürgerbüros erhältlich ist. Doch selbst die Verwaltung erklärte im Vorfeld, dass eine flächendeckende Verfügbarkeit wirtschaftlich nicht vertretbar sei – also kaum praktikabel. Der Vorschlag, den Automatenpark mit EC-Kartenlesern auszurüsten, wurde von der Mehrheit kurzerhand verworfen. Ein bewährter Kompromiss blieb aus.
CDU warnt vor Vertrauensverlust in die Stadtpolitik
Die CDU-Fraktion kritisiert die Entscheidung als bürgerunfreundlich und warnte im Ausschuss: „Wenn sich die Stadt bei einem alltäglichen Vorgang wie dem Parken derart unflexibel zeigt, leidet das Vertrauen in die Verwaltung und die Demokratie insgesamt“, sagte CDU-Ratsmitglied David Bothe.
Auch Martin Lucke, Sprecher der CDU im AIUSO, forderte erneut eine digitale und analoge Lösung – wie sie etwa in den Niederlanden längst erfolgreich umgesetzt wird. Vorschläge, die Entscheidung zu vertagen und im Rahmen eines parteiübergreifenden Arbeitskreises sachlich aufzuarbeiten, wurden von Grünen, SPD und FWG abgelehnt.
Verwaltung im Ausnahmezustand
Selbst innerhalb der Stadtverwaltung sorgt die überstürzte Digitalisierung für Stirnrunzeln. Der Beigeordnete Ragnar Migenda (Grüne) räumte ein, dass man sich bei Personal und Infrastruktur am Limit bewege. Auch FDP-Beigeordneter Thore Eggert äußerte Zweifel am Tempo der Umstellung – und warnte, nicht alle Bürger:innen seien in der Lage, Apps zu bedienen oder QR-Codes zu scannen.
Ein Wahlkampfthema mit Sprengkraft
Die Debatte zeigt: Es geht nicht nur um Parkscheine – sondern um den Zustand politischer Entscheidungsfindung in Bergisch Gladbach. Die Abschaffung der Automaten ist das Ergebnis spontaner Ausschuss-Mehrheiten, getragen von Fraktionen, die weder ein ausgereiftes Konzept noch gesellschaftliche Akzeptanz vorweisen können.
Am 14. September wird der Stadtrat neu gewählt. Viele Bürger:innen sehen im aktuellen Beschluss ein Paradebeispiel für das, was sie sich in Zukunft nicht mehr wünschen: überstürzte Symbolpolitik ohne Rücksicht auf Realitäten.